Trauer bei Menschen mit Demenz - Was bedeutet das?
Soll man Menschen mit Demenz vom Tod eines nahen Angehörigen erzählen?
Auch Menschen mit Demenz haben das Recht, über das Ableben informiert zu werden. Wenn die erkrankte Person das Geschehen wahrnehmen kann, dann helfen Gespräche wie gemeinsame schöne Erlebnisse. Auch gewohnte Abschiedsrituale können im Umgang mit der Trauer unterstützen.
Aufgrund der Demenzerkrankung kann es aber auch passieren, dass der Tod von der erkrankten Person nicht realisiert werden kann. Unabhängig von ihrer Reaktion sind Menschen mit Demenz auf unsere Unterstützung angewiesen.
Wie kann ich als pflegender und begleitender Angehöriger unterstützen, wenn der Betroffene immer wieder in Tränen ausbricht?
Da ich immer wieder mit dieser Frage konfrontiert bin, möchte ich heute einfach mal erzählen, was ich diese Woche zu diesem Thema erlebt habe.
Der Klient liegt zusammengekauert in seinem Bett. Er hat die Augen geschlossen und gibt laute Geräusche von sich. Aus meiner langjährigen Erfahrung spüre ich seine Not und weiß, dass er weint, obwohl keine Tränen fließen. Bevor irgendeine Reaktion meinerseits erfolgt ist es ganz wichtig mich in seine Gefühlswelt zu begeben. Der Mann muss zunächst spüren, dass ich ihn in seinem Leid ernst nehme. Das ist die Voraussetzung dafür, dass er mir vertraut und mir vielleicht von seinem Schmerz erzählt.
Trauer bei Menschen mit Demenz kann viele Ursachen haben:
Es kann der Verlust von Fähigkeiten, von Bewegungsfreiheit, vom bisherigen Zuhause, von bisher nahestehenden Personen sein. Tränen können aber auch körperliche Schmerzen oder die Aufarbeitung von seelischem Leid bedeuten. Egal worum es geht – wichtig für den Betroffenen ist in diesem Moment, dass die negativen Gefühle nicht weggeschoben werden, sondern, dass die Not geteilt wird.
Um meine Verbundenheit mit meinem Klienten noch zu verstärken, frage ich nach, ob ich ihn berühren darf. Erst als er mit dem Kopf bejaht, drücke ich seinen Oberarm sanft, während ich ihm die andere Hand reiche, welche er gleich ergreift. Durch die körperliche Nähe wird nicht nur Solidarität vermittelt, sondern auch Geborgenheit und Sicherheit.
Jetzt beginne ich langsam mit der Abklärung der Ursache für die aktuelle Verzweiflung, in dem ich langsam und verständnisvoll nachfrage, ohne eine Antwort zu erwarten. Ich lasse offen, ob er darüber reden kann oder möchte, um nicht zusätzlichen Druck aufzubauen. Herr M. hat mittlere Demenz und kann sich noch mit Worten verständigen. Und tatsächlich bricht es aus ihm heraus: nehmen Sie mich mit, ich bin so allein.
Jetzt wäre es ein Fehler zu widersprechen, denn der Klient hat einen netten Zimmerkollegen, bekommt regelmäßig Besuch von seinen Kindern und auch das Pflegepersonal kümmert sich liebevoll um ihn. Hier geht es aber nicht um die äußeren Umstände, sondern um seine innere Einsamkeit.
Ich bestätige jetzt, dass ich seine Botschaft verstanden habe und lasse ihr Zeit, bevor ich nachfrage, ob er mir denn erzählen möchte, was so ganz schlimm für ihn ist. Er öffnet seine Augen und gibt mir zur Antwort: ich weiß es nicht mehr.
Was immer der Grund für seine Traurigkeit war, für Herrn M. war offenbar In dieser Situation nur wichtig, dass jemand da ist, der seine Gefühle teilt.
Trauer bei Menschen mit Demenz darf ihren Platz haben und erfordert viel Einfühlungsvermögen. Wenn man über die Herzensbrücke verbunden ist, dann kann der Betroffene loslassen und seinen inneren Frieden finden.