Die nachfolgenden Bücher über Demenz wurden von Angehörigen von an Demenz erkrankten Menschen geschrieben.
Die Buchliste wurde von Andrea Stix zusammengestellt. Angehörige schreiben über Ihre Erfahrungen, Gefühle, schöne Erlebnisse aber auch die Belastungen und schweren Zeiten die Sie während des gesamten Krankheitsverlaufes durchleben.
"Mein Leben mit Frontotemporaler Demenz" von Raimund Oberschmid

Der Weg zur Diagnose – ein Interview von Andrea Stix mit Raimund Oberschmid
Wie haben Sie oder Ihr Umfeld gemerkt, dass etwas nicht stimmt?
Zuerst waren es Kleinigkeiten, die ich selbst nicht richtig einordnen konnte – vergessene Worte, merkwürdige Missverständnisse im Gespräch, nicht erkannte Gesichter oder dass ich einfache Dinge plötzlich länger überlegte. Meine Familie und enge Freunde merkten, dass sich etwas veränderte. Ich wirkte manchmal abwesend oder reagierte anders, als man es von mir kannte.
Wie haben Sie diese ersten Veränderungen erlebt?
Am Anfang habe ich vieles verdrängt. Ich dachte, es läge am Stress oder daran, dass ich einfach müde bin. Gleichzeitig spürte ich aber, dass etwas in mir anders wurde – eine leise Unsicherheit, die ich nicht loswurde.
Wie verlief die Zeit, bis Sie die Diagnose erhalten haben?
Es war eine lange Zeit voller Untersuchungen, Gespräche und Warten. Die Ungewissheit war oft schlimmer als die Wahrheit. Als dann das Wort „Frontotemporale Demenz“ fiel, war es ein Schock, aber auch eine Erklärung und gewissermaßen Erleichterung für all das, was vorher so unverständlich war.
Wie sind Sie mit der Diagnose umgegangen? Was hat Ihnen geholfen, um diese schwierige Situation besser zu verstehen?
Zuerst war es schwer, das zu akzeptieren. Aber Wissen hilft – ich habe viel über die Krankheit gelesen, mich informiert und recherchiert. Vor allem meine Familie hat mir Halt gegeben, und wir haben viel darüber gesprochen. Und irgendwann habe ich entschieden: Ich will offen damit umgehen, um andere aufzuklären und Mut zu machen.
Leben mit der Erkrankung
Was hat sich für Sie durch die Krankheit im Alltag am stärksten verändert?
Ich muss mir mehr Pausen nehmen und kann nicht mehr so spontan und belastbar sein wie früher. Pläne brauchen mehr Struktur und manche Dinge dauern einfach länger. Multitasking wurde unmöglich.
Welche Situationen sind für Sie schwierig geworden?
Unvorhergesehene Veränderungen, veränderte Tagesstruktur oder sehr laute, hektische Umgebungen strengen mich schnell an. Auch Gespräche mit vielen Personen gleichzeitig können herausfordernd sein, weil ich den Faden verliere.
Wie hat sich Ihr Verhältnis zu Familie und Freunden geändert?
Mit einigen ist es sogar enger geworden, weil wir viel offener miteinander sprechen. Andere haben sich zurückgezogen – vielleicht aus Unsicherheit. Das tut weh, aber ich habe gelernt, mich auf die Menschen zu konzentrieren, die wirklich da sind. Meine Familie hatte immer schoneinen starken Zusammenhalt auf den ich stolz bin, und daran hat sich nichts geändert.
Was wünschen Sie sich von den Menschen in Ihrem Umfeld?
Geduld, Verständnis und Ehrlichkeit. Dass man mich ernst nimmt, aber auch nicht in Watte packt, und vor allem keine mitleidigen Blicke.
Was möchten Sie trotz Erkrankung unbedingt weiter tun?
Ich möchte weiter kreativ sein (bastle gerne mit Holz), schreiben und mit anderen in Kontakt bleiben. Vor allem will ich meine Geschichte erzählen, um Aufklärung zu schaffen.
Emotionen
Was beschäftigt Sie heute besonders? Wie fühlen Sie sich?
Ich weiß, dass die Krankheit fortschreitet – dieser Gedanke begleitet mich täglich. Aber ich versuche, bewusst im Hier und Jetzt zu leben. Es gibt Tage, da fürchte ich mich, an anderen ist es mir wieder egal. Das Schlimme an der Krankheit ist, dass man nicht dagegen ankämpfen kann, da sie unheilbar ist, und es noch keine Medikamente gibt, außer die, die Symptome lindern.
Was macht Ihnen Angst? Was gibt Ihnen Hoffnung?
Angst macht mir, irgendwann nicht mehr ich selbst zu sein, jemanden zur Last zu fallen. Hoffnung gibt mir meine Familie und dass ich jetzt noch aktiv sein kann und vielleicht mit meiner Offenheit anderen helfen kann, ihren eigenen Weg zu finden.
Gibt es etwas, das Ihnen Kraft gibt oder Sie tröstet?
Meine Familie, kleine Alltagsfreuden, Musik, und die Rückmeldungen von Menschen, die mir sagen, dass mein Buch oder meine Worte ihnen geholfen haben.
Strategien im Alltag
Gibt es Dinge, die Ihnen helfen, den Alltag zu strukturieren oder mit Schwierigkeiten umzugehen?
Ja – feste Tagesroutinen, Erinnerungszettel und Listen. Und dass ich mir bewusst Pausen einplane, bevor ich erschöpft bin.
Was hilft Ihnen, sich zu entspannen oder zur Ruhe zu kommen?
Spaziergänge in der Natur, Zeit mit meinen Liebsten, mit Musik entspannen und kreative Projekte wie mein Buch.
Welche Unterstützung ist besonders hilfreich?Verständnisvolle Gespräche, praktische Hilfe im Alltag, und dass mich meine Familie in Entscheidungen einbezieht.
Wünsche und Botschaften
Was ist Ihnen heute im Leben wichtig?
Ehrliche Begegnungen, Zeit mit Menschen, die mir guttun, und das Bewusstsein, dass jeder Tag zählt.
Gibt es etwas, was Sie anderen Menschen mitgeben möchten, die vielleicht gerade jetzt erst eine Diagnose Demenz bekommen haben?
Lasst euch Zeit, die Diagnose anzunehmen. Ihr seid mehr als diese Krankheit. Sucht euch Menschen, die euch verstehen und unterstützen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft – für sich und andere?
Für mich wünsche ich mir, dass ich so lange wie möglich selbstbestimmt leben kann. Für andere wünsche ich mir mehr Aufklärung, mehr Verständnis und weniger Angst vor dem Wort „Demenz“.
"Abseits" und "Abseits 2" von Johanna Constantini

Johanna Constantini, Tochter des ehemaligen Fußballnationaltrainers Didi Constantini, schreibt offen über das ‚Demenz-Drama‘ ihres Vater.
Sie tritt ein für mehr Einsicht, Toleranz und Empathie angesichts einer grassierenden Krankheit, die unsere Effizienz-Gesellschaft nur zu gerne tabuisiert.

Johanna Constantini: Abseits 2 – Rezension von Andrea Stix
Vielfach ist bekannt, dass Menschen mit einer Alzheimer Demenz ihre Alltagsfunktionen in derselben, jedoch umgekehrten Reihenfolge abbauen, wie Kinder sie erlernen (Retrogenese nach B. Reisberg).
In dem aktuellen Buch erzählt sie sehr offen, wie sie den Spagat zwischen Verlust von Fähigkeiten und Fertigkeiten ihres Vaters einerseits und den Lernfortschritt ihrer Tochter andererseits erlebt.
Mit ihren Büchern möchte Johanna allen Betroffenen und Angehörigen Mut machen, sich zeitgerecht „Spielzüge“ als Familie zurechtzulegen. Gleichzeitig richtet sie auch einen Appell an die Gesellschaft mehr Sensibilität füreinander zu entwickeln, um ein Miteinander für alle Menschen zu ermöglichen.
„Die fabelhafte Welt meiner Mama“ von Barbara Bachler

Rezension von Andrea Stix, MSc, Akademische Demenzexpertin, August 2024
Was bedeutet die Diagnose Demenz für eine/n Angehörige/n? Wie kann sie/er begleiten, betreuen oder pflegen und dennoch auf die Selbstfürsorge achten?
Die Autorin gibt mit diesem Buch ihre eigenen Erfahrungen weiter als Hilfestellung für andere Angehörige.
Was diesen Ratgeber auszeichnet
- kurz, prägnant formuliert, gute Gliederung
- große Schrift, verständliche Sprache, viele Beispiele
- praktische Alltags-Tipps als Wegweiser
Sehr authentisch und einfühlsam beschreibt Barbara Bachler ihren Lebensabschnitt als Tochter, deren Eltern zunehmend Unterstützung benötigen. Zuerst sind es nur Arzt- und Amtswege, als aber die Mutter zusätzlich an Demenz erkrankt, geht sie über ihre eigenen Grenzen.
Schon zu Beginn des Buches rät sie anderen Angehörigen immer wieder kurz innezuhalten und ehrlich zu prüfen, ob man selbst der aktuellen Situation noch gewachsen ist. Durch diese Selbstreflexion kann es gelingen, zeitgerecht Entlastung von außen zu holen und somit ein Pflege-Burnout zu vermeiden.
Sie beschreibt Situationen, in denen sich viele pflegende Angehörige wiederfinden werden und fasst die zentralen Aussagen zusammen. Denn sie weiß, dass gerade pflegende oder begleitende Angehörige weder die Zeit noch die Energie haben, um lange Berichte zu lesen. Barbara Bachler erzählt ihre Vorgangsweise und stellt Gedanken zur Verfügung, so dass jede/r ihren/seinen eigenen Weg finden kann und dabei trotz der vielfältigen Aufgaben selbst gesund bleibt.
"Frau Wolff ... wird wunderlich - Wie die Demenz meiner Mutter unser Leben verändert" von Peter Wolff

Rezension von Andrea Stix, MSc, akademische Demenzexpertin
November 2019
Schonungslos mutig und ehrlich beschreibt der Sohn Peter Wolff über die Hilflosigkeit und Ahnungslosigkeit der Wesensveränderung seiner Mutter. Die Odyssee bis die Krankheit, eine Lewy-Body-Demenz, tatsächlich diagnostiziert wird, stellt sicher keinen Einzelfall dar.
Die aufrichtige Erkenntnis von Peter Wolff, dass man sich nicht über die Krankheit informiert, bevor man nicht selbst direkt oder indirekt damit konfrontiert ist, zeigt wie wichtig es ist, sich Grundwissen über die Krankheit anzueignen. Der Autor will damit auch Bewusstsein schaffen, dass hinter Änderungen im Verhalten oder auftretenden Symptomen ev. auch eine Demenzerkrankung stecken könnte.
In der Beschreibung von einzelnen Situationen verwendet der Sohn abwechselnd den Vornamen und den Familiennamen seiner Mutter.
Damit wird sehr deutlich das Wechselspiel von Nähe und Distanz, von liebender Fürsorge und von Wut auf die Krankheit bzw. Überforderung und Gefühlschaos dargestellt. Mit diesem Wechsel wird dem Leser – ohne weitere Erklärung – verdeutlicht, dass es kaum gelingt, all das zu begreifen, was sich im außen und/oder innen einer an Demenz erkrankten Person abspielt.
Nach dem Untersuchungsmarathon der Familie – um endlich Klarheit für das „merkwürdige“ Verhalten von Frau Wolff zu erhalten – erwartet man fast Erleichterung bei Erhalt der Diagnose. Aber das Gegenteil ist der Fall. Zu Überforderung und Hilflosigkeit gesellt sich noch Hoffnungslosigkeit, denn die Krankheit ist nach wie vor unheilbar.
Dieses Buch soll daher eine Hilfestellung bieten für pflegende Angehörige. Die detaillierten Erzählungen sind eine Aufforderung sich seinen Gefühlen zu stellen und die geänderte Lebenssituation für das gesamte Familiensystem so gut wie möglich zu akzeptieren. Und, dass man mit der richtigen Einstellung und vor allem mit einem liebenden Herzen auch schöne und fröhliche Stunden mit Menschen mit Demenz erleben kann. Mit seiner Offenheit richtet der Autor auch einen Appell an die betroffenen Familien entsprechende Unterstützungsangebote anzunehmen.
Dieses Buch ist verständlich und klar geschrieben. Und es zeigt auf, dass Menschen mit Demenz noch lange eigene selbstständige Persönlichkeiten sind, die mit entsprechender Unterstützung ihren Alltag noch lange gestalten können. Ein sehr empfehlenswertes Buch für alle, die sich mit der Krankheit im Alltag auseinandersetzen möchten.
"Aus dem Schatten treten. Warum ich mich für unsere Rechte als Demenzbetroffene einsetze" von Helga Rohra

Eine einzigartige Stimme.
Mit 54 Jahren wurde Helga Rohra die Diagnose Lewy-Body-Demenz gestellt.
Als sie Anfang 2010 erstmals öffentlich über ihre Demenz sprach, tat sie das noch unter dem Pseudonym Helen Merlin.Seitdem ist viel passiert: Helga Rohra wurde zu einer Aktivistin, die sich einmischt, um die Sache der Menschen mit Demenz zu vertreten: Im Vorstand der Alzheimer Gesellschaft München, in den Medien und auf Demenz-Kongressen. Ich bin dement, na und? , ist ihr Motto, wenn sie von ihren Erlebnissen mit Nicht-Dementen berichtet.
"Ja zum Leben trotz Demenz! Warum ich kämpfe" von Helga Rohra

Unter den Demenzaktivisten gibt es weltweit nur zwei Publizisten. Helga Rohra ist eine von ihnen. Sie kämpft auf jährlich bis zu 100 Veranstaltungen und mit ihrem Verein Trotzdemenz e.V. für eine neue Sichtweise auf Menschen mit Demenz. Für ihre Arbeit wurde sie 2014 mit dem Deutschen Engagementpreis ausgezeichnet und 2015 zur Botschafterin für internationales Engagement ernannt.
Ich möchte Sie berühren und nicht nur informieren – so beginnt Helga Rohra meist ihre Vorträge, und das gelingt ihr auch. In ihrem neuen Buch Ja zum Leben trotz Demenz! gewährt Rohra einen seltenen Einblick in die Welt eines Menschen mit diagnostizierter Demenz. Sie erzählt auf packende Art und Weise, wie sie tagtäglich mit der Demenz lebt und trotz der Schwierigkeiten daraus sogar gestärkt hervor geht.
"Wie kannst du nur..." von Werner Nussgraber

Viele Anzeichen und einige Hinweise von Bekannten und dennoch…. den Angehörigen ist nicht bewusst, dass diese Veränderungen und Verhaltensweisen mit Demenz zu tun haben könnten. Humorvoll und ehrlich erzählt der Autor, wie die Krankheit das Leben der Familie bestimmt und, er lässt den Leser mitfühlen, welchen Belastungen pflegende Angehörige ausgesetzt sind. Selbst als ausgebildeter diplomierter Sozialbetreuer gerät er an seine Grenzen im aufreibenden Alltag in der Betreuung seiner erkrankten Mutter. Er selbst sagt: ich möchte nicht belehren, sondern informieren. Mein Buch kann dazu animieren, meinem Beispiel zu folgen, es kann aber auch davon abhalten.
"Die Demenz, er und ich ..." von Hanna Fiedler

Im Sommer 2018 bekam Hanna Fiedlers Welt einen Riss. Einen endgültigen. Franz, ihr Mann, ihr Geliebter, verlor den Kampf gegen seine Krankheit. Doch verloren hatte sie ihn schon Jahre zuvor. An eine Konkurrentin, gegen die niemand ankommt: die Demenz.
Diese Krankheit hat viele Gesichter. Grausame, bedrohliche, aber auch unerwartet zarte, leise, manchmal sogar schöne, in denen eine Nähe möglich ist, die man nicht mehr erwarten würde. Eine Nähe, die man schon lange vermisst hat, die man aber gar nicht mehr richtig zulassen kann.
Wie es ist vergessen zu werden, wie sie im Alltag damit umging und welche enormen Herausforderungen es mit sich bringt, einen Demenzerkrankten zum Partner zu haben, davon erzählt dieses Buch.
"Der alte König in seinem Exil" von Arno Geiger

Studienarbeit aus dem Jahr 2012 im Fachbereich Germanistik – Neuere Deutsche Literatur, Note: 1,7, Universität Augsburg, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Arbeit beschäftigt sich mit ethischen Aspekten im Umgang mit Menschen, die an Alzheimer oder Demenz erkrankt sind.
Als Beispiel soll dafür Arno Geigers Roman „Der alte König in seinem Exil“ dienen, der sich sehr detailliert mit dem Thema auseinandersetzt. Das Leben mit dem demenzkranken Vater des Autors liefert dabei mehrere essentielle Gesichtspunkte, die erörtert werden (Beziehung zu Demenzkranken, Umgang mit Heimatlosigkeit u.Ä.